MS „Georg Büchner“ -
Ein Stück Geschichte der DSR liegt auf dem Grund der Ostsee
Auf unserer 2. Mitgliederversammlung beschäftigten wir uns mit dem
Schicksal der MS „Georg Büchner“. Das ehemalige Fracht– und Lehrschiff
der DSR sank, nach einer bewegten Geschichte, am Abend des 30. Mai 2013
auf der Schleppfahrt von Rostock nach Kleipeda unter mysteriösen
Umständen vor der polnischen Küste.
Hier nun ein paar Ausschnitte und Informationen aus dem Vortrag
von Mathias Wendt, der 1978 als Vollmatrosenlehrling auf dem
stationären Ausbildungsschiff in Rostock-Schmarl einen Teil
seiner Ausbildung absolvierte.
Kongoschiff
Das Schiff lief 1950 bei J. Cockerill S.A. in Hoboken als
„Charlesville“ vom Stapel und wurde am 15. Februar 1951 abgeliefert.
Klasse: Albertville
Länge: 153,66 m (Lüa), Breite: 19,6 m, Verdrängung: 10.901 t,
Geschwindigkeit: max. 17,5 kn, Tiefgang: max. 8,4m.
Das kombinierte Fracht- und Passagierschiff war letztes von fünf
Schiffen der Albertville-Klasse und wurde von der Reederei
Compagnie Maritime Belge (Lloyd Royal) S.A., Antwerpen, im
Liniendienst zwischen Belgien und Belgisch-Kongo und Angola
eingesetzt.
Ausbildungsschiff in der DDR
Die Charlesville ging am 5. Juli 1967 in Antwerpen an den VEB
Deutsche Seereederei Rostock, und nach einigen Umbauten in der
Mercantile Werft Antwerpen im Juli und August wurde es im
September 1967 als Fracht- und Ausbildungsschiff Georg Büchner
in Dienst gestellt.
1968 wurde das Schiff beim VEB Warnow Werft Warnemünde als
frachtfahrendes Ausbildungsschiff ausgerüstet. Das Schiff war
ab 1971 mit 11.060 BRT/3831 NRT vermessen und hatte Unterkünfte
für 190 Matrosenlehrlinge. Die „Georg Büchner“ wurde am 7.6.1977
außer Dienst gestellt und nach einem Umbau in Stettin, als
stationäres Schulschiff am 5.11.1977 offiziell als Schule
der DSR in Betrieb genommen.
Als Anmerkung meinerseits:
1979 absolvierte ich im ersten Lehrjahr einen Teil meiner
Ausbildung auf der „Büchner“. Neben dem Erlernen des Aufbaus
und dem Umgang mit dem Ladegeschirr, der Einführung in den
Maschinenbetrieb, (Hilfsdiesel, Separatoren und Leitungssysteme
auf Schiffen) und dem Spleißen von Draht legte ich die
Prüfungen zum Rettungsbootsmann und Feuerlöschmann ab.
Am 18.6.1990 wurde das Schiff auf die Deutschen Seereederei
GmbH Rostock übertragen und am 15.3.1991 übernahm die Hansestadt
Rostock das Schiff symbolisch für den Betrag von einer DM und es
wurde für Ausbildungsprogramme für Erwerbslose, insbesondere der
DSR genutzt.
Am 1.1.1999 an den Förderverein Traditionsschiff und Ende Oktober
Verlegung des Liegeplatzes von Schmarl zum Kabutzenhof in Rostock.
Weitere Nutzung für Bildungsaufgaben und als Hotelschiff.
Und ab jetzt begann die Tragödie des Schiffes.
Doch die Räume wurden weniger genutzt, der Verein bekam
Finanzprobleme. Im September 2012 gab es an Bord des Schiffes ein
Krisentreffen, an dem unter anderem auch der Hafenkapitän und der
Oberbürgermeister teilnahmen. Die Stadt hatte ein Vorkaufsrecht,
sie hätte die "Georg Büchner" zurückhaben können. Doch sie lehnte
ab. Ein Rückkauf hätte internen Unterlagen zufolge mindestens
750.000 Euro plus monatliche Folgekosten von circa 25.000 Euro
gekostet.
Zu viel für die Stadt. Sie vermittelte dem Verein einen Makler,
um einen Interessenten zu finden. Und tatsächlich wurde am 13.
Dezember 2012 ein Kaufvertrag unterschrieben. Demnach wurde die
"Georg Büchner" für 900.000 Euro an die Firma Argent Ventures
Limited mit Sitz auf den Seychellen verkauft. Wer genau sich
dahinter verbirgt, ist unklar.
Zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung war das Amt für Denkmalschutz nicht in den Verkauf eingeweiht - dabei wäre das nötig gewesen. Denn die "Georg Büchner" ist seit dem 29.Oktober 2004 in der Denkmalliste des Landes Mecklenburg-Vorpommern geführt, sagt der Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege, Michael Bednorz. Der Käufer von den Seychellen habe die Instandhaltung des Schiffes als Denkmal vertraglich jedoch nicht garantieren können.
Dass die Behörde schließlich doch noch in den Vorgang involviert wurde, liegt an der Insolvenz des Trägervereins, sie wurde Mitte Februar beim Amtsgericht Rostock angemeldet. Als Insolvenzverwalter wurde der Anwalt Tobias Schulze bestellt - und er hatte nun zu entscheiden, ob der Kaufvertrag vom Dezember erfüllt wird. Schulze wandte sich an die Schweriner Behörde, Ergebnis: Kaufvertrag ungültig, die Suche nach einem Käufer begann von Neuem. Und lange sah es so aus, als säße er in Belgien.
Der belgische Verein Watererfgoed Vlaanderen wollte das Schiff schon vor der Insolvenz des Rostocker Trägers kaufen, es klappte nicht. Nach der Pleite sei das Land Mecklenburg-Vorpommern erneut auf ihn zugekommen und habe die "Georg Büchner" für einen Euro angeboten, sagt der Vorsitzende des belgischen Vereins, Eric Van Hooydonk. Mitte April fuhr er mit einem zehnköpfigen Team nach Rostock, um das Schiff zu begutachten und zu verhandeln. Während des Besuchs hätten ihm der Insolvenzverwalter und die Denkmalschutzbehörde dann überraschend ein Ultimatum gesetzt und einen Kaufvertrag an neue Bedingungen geknüpft.
Im Kern sah der von den Belgiern erarbeitete Plan vor, das einzige erhaltene historische Handelsschiff Belgiens in seinen ersten Heimathafen zu holen. Antwerpen. Dort sollte es unter anderem als maritimes Museum, Hotel oder Restaurant hergerichtet werden. Kostenpunkt: mindestens zehn Millionen Euro Doch so weit kam es nicht. Dem Landesamt für Denkmalpflege fehlte eigenen Angaben zufolge die nötige Sicherheit. Unmittelbar nachdem er den Vorschlag bekommen hatte, stand für das Amt fest: "Niemand wird die Verantwortung für den Erhalt des Denkmals übernehmen." Für den Eigentümer - zu diesem Zeitpunkt der Insolvenzverwalter - sei diese Aufgabe nicht zumutbar gewesen. Und der einzige Interessent, Hooydonk, habe mit seinem Angebot nicht überzeugt. Damit verlor die "Georg Büchner" ihren Status als Denkmal - und konnte nun erneut an die Firma auf den Seychellen verkauft werden.
Den genauen Kaufpreis, der im zweiten Kaufvertrag ausgehandelt wurde nicht genannt.. Nur: Es sei weniger als die im Dezember vereinbarten 900.000 Euro. Weil der Trägerverein Insolvenz anmeldete, bekomme die Stadt Rostock das Geld und müsse es für gemeinnützige Zwecke verwenden.
Auch die Stadt selbst bietet Anlass für Spekulationen. Offiziell hat der Käufer von den Seychellen angegeben, dass er die "Georg Büchner" in Litauen nicht verschrotten will. Denkbar wäre ein Weiterverkauf - und somit auf Umwegen beispielsweise eine Verschrottung in Indien, wo solche Arbeiten deutlich günstiger sind und weniger strengen Auflagen unterliegen. In der EU wäre eine Verschrottung auch deshalb teuer, weil in der "Georg Büchner" Asbest verarbeitet worden ist. Ob die "Georg Büchner" nur zum Transport nach Litauen oder tatsächlich zur Verschrottung verkauft wurde, spielt vor allem auch im Landesamt für Umwelt und Naturschutz eine Rolle. Für eine Verschrottung muss dort eine Genehmigung erteilt werden, sagt der stellvertretende Direktor Jörg-Dietrich von Weyhe. Sowohl die Behörde in Deutschland als auch die Kollegen in Litauen hätten zustimmen müssen. Aber Käufer und Insolvenzverwalter haben laut Weyhe versichern können, dass die "Georg Büchner" als Schiff und nicht als Abfall verkauft wurde - eine Genehmigung für die Fahrt nach Litauen war damit nicht nötig.
Obwohl vielfältige Initiativen von ehemaligen Besatzungsmitgliedern des MS „Georg Büchner“ gestartet wurden ihren „Schorsch“ zu erhalten, sahen weder die Stadt Rostock noch das Land Mecklenburg. Vorpommern eine Möglichkeit das Schiff als historisches Denkmal zu erhalten.
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Quelle: SuperIllu
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Und so begann dann die Fahrt in den Untergang
Am 28. Mai 2013, nach mehr als 20 Jahren, wurde die Georg
Büchner – schon mit leichter Schlagseite nach Steuerbord,
wie zahlreiche Aufnahmen belegen - vom polnischen Schlepper
Ajaks der Cuxhavener Reederei aus dem Rostocker Hafen
geschleppt um nach Klaipeda verholt zu werden. Die
Wetterbedingungen waren ideal, drei Windstärken und Seegang
3-4 ließen eine problemlose Überfahrt erwarten, das Tempo
des Schleppverbands mit vier bis fünf Knoten lag ebenfalls
im Bereich des Üblichen.
Doch dann passierte es: Am Abend des 30. Mai 2013 um 18:54
Uhr informierte die Ajaks die polnische Küstenwache über die
plötzlich starke Schlagseite der Georg Büchner. Die Lage
spitzte sich weiter dramatisch zu, das Schiff krängte
polnischen Berichten zur Folge um 45 Grad über. Um 19:53 Uhr
meldete der Schlepper Ajaks, dass er die Schleppverbindung
gekappt hatte, um nicht selbst mit in die Tiefe gerissen zu
werden und weil es keine Möglichkeit mehr gab zu manövrieren.
Um 20:24 sank dann die Georg Büchner.
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Quelle: SuperIllu
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Inzwischen hat das polnische Seeamt Gdynia eine Warnung
herausgegeben mit genauen Koordinaten der Wracklage:
54 Grad 55,871 Minuten nördlicher Breite und 18 Grad,
31,308 Minuten östliche Länge. Damit liegt das Wrack zwar
abseits der stark befahrenen Autobahnen des Meeres, der
Verkehrstrennungsgebiete (TSS traffic separation section),
jedoch gefährlich nahe an den Fährroute der Stena-Line und
dem Küstenschifffahrtsweg vor der pommerschen Küste. Das
Wrack der MS Georg Büchner liegt mit maximal 35-40 Metern
Tiefe also auf einer die Schifffahrt gefährdenden Position
und Tiefe. Aus diesem Grund wird weiterhin über eine
mögliche Bergung spekuliert.
Und nach dem Untergang begannen die Gerüchte.
Die Rede ist von Versicherungsbetrug, raffgierigen Vereinen
und einer ominösen Briefkastenfirma auf den Seychellen.
Es bleibt im Zusammenhang mit der Unglücksursache eine ganze
Reihe von Fragen offen:
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Der Rostocker Hafenkapitän Gisbert Ruhnke teilte mit, die Büchner
sei seetüchtig gewesen. Doch ist die Georg Büchner gründlich
untersucht worden und ihre Seetüchtigkeit bestätigt gewesen?
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Waren die Seeventile überprüft und tatsächlich hunderprozentig
dicht? Seeventile sind die Sperren an Wassereinlässen und
Wasserauslässen. Funktionieren die Dichtungen nicht mehr,
tritt Wasser ein.
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Die Georg Büchner war ein Oldie und bekanntermaßen nicht im
besten Zustand, Ihre Stahlbauplatten waren noch nicht geschweißt,
sondern genietet. Waren die Nieten rott? Sollten sie verrostet
gewesen sein, könnten sich ganze Platten gelöst haben und für
schwere Wassereinbrüche gesorgt haben. Eine Sanierung wäre extrem
teuer gewesen, es gibt kaum noch Werften mit dem nötigen Knowhow
und den benötigten Gerätschaften.
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Warum war bei der Schleppfahrt offenbar keine Seewache auf der
Brücke der Georg Büchner? Sie hätte Wassereinbrüche melden können
und so möglicherweise Schotten schließen können.
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Warum hat die Ajax die bei dieser Reise für die Cuxhavener
Reederei “Wulf Otto GmbH & Co. KG” in Charter lief, vor dem
Untergang der Büchner eine derartige Zickzackfahrt mit dem
schwere Schlagseite aufweisenden havarierten Schiff im Schlepp,
wie sie auf dem GPS-Trackingportal
www.marinetraffic.com nachgewiesen werden konnte?
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War es Versicherungsbetrug? Wie hoch war die Versicherungssumme
des schrottreifen Schiffs? Man hört inzwischen vom
Insolvenzverwalter des Eigners (Trägerverein), die
Summe soll realistisch und nicht überhöht gewesen sein.
Für diesen Beitrag wurden folgende Quellen genutzt:
Deutschen Reedereien Band 23, Verlag Gert Uwe Detlefsen
Spiegel online
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